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Gute Form in Randlage – Neubau Laborgebäude

Von Olaf Bartels
„Es ist schon eine reizvolle Aufgabe, in die Wüstenei stadtperipherer Gewerbegebiete ordnend eingreifen zu können. Von den Planertraumbildern gut durchdachter und angenehm positionierter Innovationsparks ist die Realität oft weit entfernt. Die Nutzungen sind vielfältiger, als es den Anschein haben mag. Hier wird nicht nur mechanisch, sondern auch mental, sprich:
im Büro, gearbeitet, es gibt hier Restaurants, auch preiswerte, auch fahrbare und gewohnt wird hierauch. Gestalterisch gleichen diese Gebiete Abstellplätzen der Fertigbauindustrie oder schlicht einem LKW-Parkplatz. Doch das ästhetisch formende Wollen der einen oder anderen Unternehmensleitung ist nicht zu unterschätzen. An einigen Stellen kommt es etwas hilflos, an anderen professioneller zum Ausdruck. Letzteres natürlich meist dann, wenn einem Architekturbüro die Möglichkeit zur Planung gegeben wird.  

Carsten Roth und sein Team hatten diese Chance: in Barsbüttel, einer Gemeinde am Hamburger Stadtrand. Gerade mal etwas mehr als fünf Meter Bautiefe standen zur Verfügung, um als Ergänzung eines Flachbaus aus dem Jahre 1972 Produktionslabors, Büros und eine Wohnung unterzubringen. Der Platz dafür war nicht gerade üppig. Die Architekten begnügten sich nicht damit, den knapp bemessenen Raum allein nach den Wünschen des Bauherrn auszurichten. Sie verliehen dem „Zugefügten“ darüber hinaus eine, teils nach den klassischen Regeln des Goldenen Schnitts, teils mit sicherem Proportionsgefühl wohlgeordnete Gestalt. Die resultiert aus dem Spiel formal strenger Figuren und ihrer Textur. Der massiv wirkende Quader mit einem Kleid aus schwarz patiniertem Zinkblech (ungefärbt wird es in Frankreich vielfach als Dacheindeckung verwendet) ist hier und da durch Öffnungen aufgebrochen und wird von anderen Bauteilen durchstoßen. Seine Schwere wird damit gleichzeitig wieder in Frage gestellt. Die sichtbaren Stahlbetonstützen im Erdgeschoß machen dieses Spiel deutlich. Vorne dominiert ein großer Glaserker die Fassade, rückwärtig ist ein gläserner Gang ergänzt, der mit dem Wohnungsbalkon und einer seitlich am Gebäude angebrachten Betonplatte abschließt. In diesem Spiel mit den Bauteilen und ihrer Textur wirkt der Anbau wie ein dem Bestand vorangestelltes Schild, das das Wirrwarr dahinter verdeckt und sich optisch abgrenzt.  

Organisatorisch aber ist Alt und Neu eng miteinander verknüpft. Die hermetisch abgeschlossenen Labors im Erd- und ersten Obergeschoß des Neubaus stehen über Schleusen in Verbindung mit dem angrenzenden Rohstoff- und Endproduktlager. Der alte Bürotrakt ist vom Neubau aus über eine Mattglasbrücke erreichbar. Die Beschaffenheit der Fassaden, wenn man so will: das Gewebe, spielt eine wichtige Rolle. Die Fenster in der schwarzen Zinkblechwand wirken wie aus dicker Haut herausgeschnitten. Das gilt auch für die Türen zu den Büros, die zwar Innentüren sind, aber eben die Wand der Blackbox durchstoßen und deshalb außergewöhnlich dick sind. Hier geht es nicht nur um Transparenz, sondern auch um Kontinuität. Die durchgängig angebrachte Außenverkleidung nimmt im Innenbereich eine andere Oberfläche an. Hier bleibt sie glänzend, während sie sich außen durch den Einfluß der Witterung verändert. Der Unterschied wird bei einem Blick durch die Flurglasscheibe deutlich wahrnehmbar. Der Blick aus den Büros durch die vordere Glasfront vermittelt dagegen Leichtigkeit und Transparenz, das scheinbare Schwergewicht der Blechverkleidung ist hier komplett aufgelöst. Sensibel durch kleine Glasstreifen an die rechtwinklig anschließenden Innentrennwände angebunden, behält die Fensterfront ihre Eigenständigkeit und wird, von innen betrachtet, nicht einfach zu einem Loch in der Wand. Die Büros haben außerdem Oberlichter, die auch rückwärtig Licht einfallen lassen. Fast beiläufig entsteht bei diesem Spiel mit der Fassadentextur und gezielter Lichtführung ein sehr homogenes Raumgefüge, das außer der Proportionssicherheit der Architekten auch den sorgfältig ausgeführten Details zu verdanken ist.  
Die ausgewogene und harmonische Form des Gebäudes und die hohe Qualität seiner Innenräume sind besondere Angebote an die Nutzer, die über die reine Befriedigung des Platzbedarfs weit hinausgehen. Man wird es zu schätzen wissen. Nun sind es keine goldenen Wasserhähne oder teure Teppiche, die diese Besonderheit ausmachen, sondern eine bewußte und sorgfältige Gestaltung. Daß ihr eine sehr tiefgreifende Auseinandersetzung mit den Phänomenen des Raums, seinen Begrenzungen und deren Beschaffenheit vorausgegangen ist, ist zwar bemerkbar, aber kein aufdringliches Prinzip der Formgebung. Sie wirkt eher unterschwellig, so als wäre sie selbstverständlich. Daß dies aber beim Bauen nicht immer der Fall ist, beweist die Nachbarschaft. Dafür bleibt die Hoffnung, daß ein solcher, in seiner räumlichen Bemessung eher kleiner Eingriff auch auf die Umgebung beruhigend wirkt.“

Abdruck mit freundlicher Genehmigung von
Olaf Bartels und „db deutsche bauzeitung„, erschienen in Ausgabe 11/1999, Seiten 94-99